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Studien und Gutachten

»Diskriminierung erlebt?! Diskriminierungserfahrungen in Sachsen«

Die Veröffentlichung der intersektionalen Studie »Diskriminierung erlebt?! Diskriminierungserfahrungen in Sachsen« im Jahr 2023 ist ein wichtiger Meilenstein in der sächsischen Antidiskriminierungsarbeit.

Erstmals wurde für die durch das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) umgesetzte Studie nach verschiedenen Formen der Diskriminierung in Sachsen entlang der Kategorien Geschlecht, religiöse Zugehörigkeit, äußere Erscheinung, Lebensalter, Behinderung, sexuelle Orientierung, rassistische Zuschreibungen, Herkunft und sozioökonomischer Status gefragt.

Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Bereich der Antidiskriminierungsarbeit haben diese Studie mit ihrer Expertise unterstützt.

Die Betroffenenbefragung in Sachsen wurde im März bis Juni 2021 mit über 1.500 Teilnehmenden durchgeführt. Die Bevölkerungsbefragung fand im Juni bis September 2021 mit über 2.100 Teilnehmenden statt. Gefragt wurde, ob und welche Art von Diskriminierung Menschen zwischen dem Frühjahr 2019 und Frühjahr 2021 erlebt haben. Da dieser Zeitraum maßgeblich durch die Covid-19-Pandemie geprägt war, wurde zudem gefragt, wie sich die Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung auf Diskriminierungserfahrungen ausgewirkt haben.

Höheres Risiko für Menschen, die nicht mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind

Fast ein Drittel aller Befragten haben es im Erhebungszeitraum der Jahre 2019 bis 2021 schon mindestens einmal erlebt, dass ihnen Intelligenz oder eigene Fähigkeiten abgesprochen (29 Prozent), ihre Leistungen abgewertet wurden (28 Prozent) oder dass sie in Behörden respektlos behandelt wurden (27 Prozent). Zudem gaben 16 Prozent der Befragten an, mindestens einmal eine sexuelle Belästigung erlebt zu haben. Neun Prozent gaben an, körperliche Gewalt und sieben Prozent, sexualisierte Gewalt erlebt zu haben. Dabei zeigt sich insgesamt ein erhöhtes Risiko beispielsweise für Menschen, die nicht mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind oder die einer sexuellen bzw. geschlechtlichen Minderheit angehören.

Die Studienergebnisse hinsichtlich des erhöhten Risikos für Menschen mit Behinderungen sowie für Menschen, die von rassistischen Zuschreibungen betroffen sind, diskriminiert zu werden, sind dabei nicht überraschend, da sie sich weitestgehend mit den Beratungszahlen aus der Antidiskriminierungsberatung in Sachsen aus den Jahren 2018 bis 2021, aber auch bundesweit, decken.

Die hohe Anzahl von Personen, die sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten angehören und von Diskriminierungserfahrungen berichten, weist Korrelationen zu Erfahrungen aus den spezifischen Beratungsangeboten für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Personen (lsbtiq* Personen), aber auch zu den Ergebnissen weiterer Studien auf (unter anderem die Studie »Lebenslagen von Isbtiq* Personen in Sachsen«) und verdeutlicht den Handlungsbedarf in diesem Bereich.

Auch die Lebensbereiche decken sich weitgehend mit den in den Beratungsstatistiken aufgeführten Lebensbereichen. So gab knapp ein Drittel der sächsischen Befragten an, im Kontext von Erwerbsarbeit Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben. Ratsuchende wenden sich ebenso besonders häufig aufgrund von Diskriminierung im Arbeitsleben an die Antidiskriminierungsberatung.

Auch der Kontakt mit öffentlichen Stellen und Behörden wird nicht immer als diskriminierungsfrei wahrgenommen. So wurden Diskriminierungserfahrungen in den Bereichen Bildung (49 Prozent) und Justiz (29 Prozent) angegeben. Medien und Politik wurden besonders häufig für stereotype Darstellungen und für die mangelnde Repräsentation von Minderheiten kritisiert.

Kaum Unterschiede zu bundesweiter Befragung

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als jede zweite Person in Sachsen im Zeitraum zwischen Frühjahr 2019 und Frühjahr 2021 von einer erlebten Form von Ausgrenzung oder Benachteiligung berichtet. Die Ergebnisse der Studie in Sachsen unterscheiden sich dabei kaum von den Ergebnissen einer bundesweiten Befragung, die zum Vergleich durchgeführt wurde, noch von weiteren Studien mit ähnlicher Ausrichtung (zum Beispiel die bundesweite Studie von Beigang et al. 2017). Die Studie zeigt somit vor allem eine gesamtgesellschaftliche Problematik auf, der es auch in Sachsen auf mehreren Ebenen – Bund, Land Sachsen, Kommunen – durch staatliche und nichtstaatliche Akteure zu begegnen gilt.

Der hohen Zahl der angegebenen Diskriminierungserfahrungen steht das Grundrecht auf Gleichbehandlung entgegen. Jeder Mensch hat das Recht auf Nicht-Diskriminierung, auf Gleichstellung und vollständige gesellschaftliche Teilhabe.

Die Studie stellt weiterhin dar, dass Diskriminierungserfahrungen für Betroffene neben ggf. entstehenden individuellen materiellen Nachteilen auch gravierende emotionale und gesundheitliche Folgen haben können, wie beispielsweise Depressionen oder andere Belastungsstörungen sowie körperliche Beschwerden.

So verdeutlichen die Studienergebnisse die Notwendigkeit, die gesellschaftliche Sensibilität für Diskriminierung zu erhöhen und den Diskriminierungsschutz in Sachsen mit geeigneten Maßnahmen zu stärken. Betroffenen von Diskriminierung sollen qualifizierte und niedrigschwellige Angebote zur Unterstützung zugänglich sein.

Aufbau intersektionaler Beratung und weitere Maßnahmen

Neben der Erhebung und Auswertung der Daten als Schwerpunkt der Studie werden allgemein gehaltene Handlungsempfehlungen formuliert. Eine Bewertung bereits vorhandener landeseigener Strukturen und Maßnahmen zum Schutz vor und Abbau von Diskriminierung war nicht Gegenstand der vorliegenden Studie.

Der Freistaat Sachsen hat in den zurückliegenden Jahren bereits an drei Standorten Angebote der intersektionalen Antidiskriminierungsberatung aufgebaut und den Ausbau von Beratungsstrukturen insbesondere für die Diskriminierungskategorie geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sowie die Förderung von Selbstvertretungsorganisationen vorangebracht.

Die sächsische Staatsregierung wird die Handlungsempfehlungen vor dem Hintergrund bereits vorhandener Strukturen beleuchten, gewichten und eine Umsetzung mittels geeigneter Maßnahmen prüfen. Im Rahmen des Lenkungsausschusses zur Bekämpfung von Diskriminierung in Sachsen werden dabei zivilgesellschaftliche Organisationen, Vertretungen des Landtages und alle Ressorts der Staatsregierung einbezogen.

Zudem sind weitere Schritte notwendig, um mit der erforderlichen Detailtiefe und interdisziplinärer (rechtssoziologischer) Expertise passgenaue Maßnahmen zur Stärkung des Diskriminierungsschutzes zu entwickeln. Unter Einbeziehung geeigneter fachlicher Expertise und unter Auswertung unter anderem dieser Studie werden konkretisierte Maßnahmen und Vorschläge erarbeitet, die der Schließung von Lücken im Diskriminierungsschutz in Sachsen dienen und Schutz vor Diskriminierung besonders hinsichtlich von Aufgaben in Landeszuständigkeit weiter verbessern.

Die Studie stellt damit einen wertvollen wissenschaftlichen Beitrag zur Fundierung der zukünftigen Antidiskriminierungsarbeit im Freistaat Sachsen dar. Aufbauend auf den Ergebnissen kann sich Sachsen weiterhin der lohnenswerten Aufgabe des Abbaus von Diskriminierung stellen und das Ziel einer chancengleichen Teilhabe aller Menschen und Bevölkerungsgruppen in Sachsen weiter voranbringen

 

»Verbesserung des Diskriminierungsschutzes entlang der Merkmale des AGG in Hinblick auf landesgesetzliche Zuständigkeiten in Sachsen«

Wie der Schutz vor Diskriminierung im Freistaat Sachsen effektiver gelingen kann, skizziert das Interdisziplinäre Gutachten »Verbesserung des Diskriminierungsschutzes entlang der Merkmale des AGG in Hinblick auf landesgesetzliche Zuständigkeiten in Sachsen«.

Autorinnen des im Auftrag des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) erstellten interdisziplinären Gutachtens sind Prof. Dr. Maria Wersig (Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit; Hochschule Hannover), Prof. Dr. Susanne Dern (Soziale Sicherung, Inklusion und Verwaltung; Hochschule Fulda), Prof. Dr. Jasmin Brück (Soziale Arbeit; IU Internationale Hochschule) und Dr.in Gerrit Kaschuba (Geschäftsführerin Forschungsinstituts tifs e.V. - Tübinger Institut für gender- und diversitätsbewusste Sozialforschung). 

Das Gutachten soll gesetzliche und tatsächliche Handlungsoptionen zur Stärkung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes und zur Förderung der Diversität in der sächsischen Verwaltung aufzeigen. Dafür untersucht es landesrechtliche Handlungsbedarfe, präventive Maßnahmen zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes und die Einrichtung einer Ombudsstelle. 

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